II. Kantonale Steuern
14 Berufskostenabzug - Zulässigkeit von Pauschalierungen im Einkommenssteuerrecht als Massenfallrecht (Erw. 3.2) - Die Steuerbehörden dürfen für die Berechnung der Fahrzeiten auf einen einzigen Routenplaner (z. Z. Twixroute) abstellen (Erw. 3.3).
Urteil des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 14. November 2012 in Sa- chen H.D. und Y.D. (WBE.2012.133).
Sachverhalt
Der mit Y.D. verheiratete H.D. arbeitete im Jahr 2009 als Buch-
halter bei der X.AG. Am 3. September 2010 veranlagte die Steuer-
kommission Z. die Eheleute H.D. und Y.D. für die Kantons- und
Gemeindesteuern 2009 zu einem steuerbaren Einkommen von
Fr. 90'400.00. Dabei akzeptierte sie die in der Selbstdeklaration als
Berufsauslagen geltend gemachten Fahrkosten für das Privatfahrzeug
von Fr. 11'140.00 nicht. Stattdessen wurden für den Arbeitsweg Fahr-
kosten für die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel im Umfang
von Fr. 804.00 (Kosten U-Abo des Tarifverbunds Nordwestschweiz)
gewährt.
Aus den Erwägungen
3.2.
Das Einkommenssteuerrecht ist Massenfallrecht und muss des-
halb einfach und erhebungswirtschaftlich konzipiert sein. In steuer-
rechtlichen Angelegenheiten ist stets ein tragfähiger Kompromiss
zwischen der nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip sachgerechten,
differenzierenden Lösung und dem faktisch Möglichen anzustreben
(MARKUS REICH, Steuerrecht, 2. Auflage, Zürich 2012, § 4 N 145
mit Hinweisen). Bei der Auslegung steuerrechtlicher Normen ist
somit fortwährend dem Aspekt der praktischen Durchführbarkeit
gebührend Rechnung zu tragen. Mit Pauschalierungen können die
Steuerbehörden auf die Überprüfung der konkreten Verhältnisse im
Einzelfall verzichten und ihren Berechnungen einen typischen
Durchschnittssachverhalt zu Grunde legen, sodass aufwändige Nach-
forschungen und Belegsammlungen für Steuerbehörden und Steuer-
pflichtige vermieden werden können (vgl. auch Urteil des Bundes-
gerichts vom 25. Oktober 2011 [2C_343/2011], Erw. 2.3, publ. in
ASA 80, S. 621). In Anbetracht des grossen Arbeitsanfalls der Steu-
erbehörden kann nicht jeder Verästelung des Einzelfalls nachgegan-
gen werden (PETER LOCHER, Praktikabilität im Steuerrecht (unter
besonderer Berücksichtigung des materiellen Rechts der direkten
Steuern), in: FRANCIS CAGIANUT/KLAUS A. VALLENDER [Hrsg.],
Steuerrecht, Ausgewählte Probleme am Ende des 20. Jahrhunderts,
Festschrift zum 65. Geburtstag von Ernst Höhn, Bern 1995, S. 191).
Mit Blick auf Fragen der Beweiserhebung und -würdigung ist
im Steuerverfahren, und zwar auch im Steuerjustizverfahren, diesem
Charakter des Steuerverfahrens als Massenverfahren Rechnung zu
tragen. Im Interesse einer gesetzmässigen und rechtsgleichen Be-
steuerung hat die Steuerbehörde somit trotz grundsätzlicher Geltung
des Untersuchungsgrundsatzes die Ermittlungsintensität des je-
weiligen Einzelfalles stets an der praktischen Realisierbarkeit des
Gesamtvollzugs auszurichten (vgl. ROMAN SEER, Reform des Veran-
lagungsverfahrens, Steuer und Wirtschaft 2003, S. 41f.; MARKUS
BERGER, Voraussetzungen und Anfechtung der Ermessensveranla-
gung, ASA 75, S. 187).
3.3.
Im Hinblick auf die Bestimmung der täglichen Fahrtdauer des
Arbeitswegs mit dem Privatfahrzeug lässt sich nach dem Gesagten
festhalten, dass die Steuerbehörden auf die Berechnungen eines ein-
zigen Routenplaners abstellen dürfen, ohne weitere Angaben anderer
Fahrzeitberechnungsprogramme zu berücksichtigen. In einem Mas-
senverfahren kann es im Sinne der Praktikabilität nicht Aufgabe der
Steuerbehörden sein, in jedem Einzelfall zu untersuchen, gemäss
welchem Routenplaner der fragliche Arbeitsweg am schnellsten
zurückgelegt würde, sogar sämtliche Routenplaner - welche
heutzutage im Internet unzählig und teils kostenlos vorhanden sind -
zu konsultieren und den Mittelwert der unterschiedlichen Fahrzeit-
angaben zu berechnen.
Aus Gründen der rechtsgleichen Behandlung aller Steuerpflich-
tigen, aber auch aus Gründen der Praktikabilität drängt es sich auf,
dass die Veranlagungsbehörden immer auf das gleiche Programm
abstellen. Für die Berechnung der Fahrzeiten verwenden praxis-
gemäss alle Steuerbehörden des Kantons Aargau das Computerpro-
gramm "TwixRoute" (Grundsatzentscheid des Steuerrekursgerichts
in AGVE 2006 S. 295). Darauf wird seit der Steuerperiode 2007
auch jeweils in der Wegleitung zur Steuererklärung hingewiesen
(vgl. Hinweis in der Wegleitung 2007, S. 18: "Zur Berechnung der
Distanzen in km für den Arbeitsweg wird auf das Programm Twix-
route abgestellt."). Überdies ist "TwixRoute" im Vergleich zu den an-
deren vom Beschwerdeführer und der Vorinstanz genannten Routen-
planern (...) - soweit ersichtlich - das einzige Programm, bei wel-
chem die der Zeitberechnung zugrundeliegenden Durchschnitts-
geschwindigkeiten für die unterschiedlichen Höchstgeschwindig-
keitszonen (Autobahn, Fernverkehrsstrasse, Hauptverkehrsstrasse
etc.) einsehbar sind. Bei "TwixRoute" ist damit anhand der offen
gelegten Durchschnittsgeschwindigkeiten eine nähere Überprüfung
der errechneten Fahrtdauer möglich. Nach Gesagtem ist nicht zu
beanstanden, insbesondere mit Blick auf Rechtsgleichheitsüber-
legungen, dass die Vorinstanz sowie die Veranlagungsbehörde für die
Berechnung der täglichen Fahrtdauer mit dem Privatfahrzeug einzig
auf die Angaben des Programms "TwixRoute" abgestellt haben, ohne
die Zeitangaben anderer Routenplaner zu berücksichtigen.
3.4.
Dies hat aber nicht zur Folge, dass die aus dem Routenplaner
"TwixRoute" resultierenden Fahrzeiten nicht überprüft werden kön-
nen. Dabei kann es indes lediglich darum gehen, relevante und kon-
krete Abweichungen im Einzelfall (z.B. falscher Start- Zielort,
nicht berücksichtigte Fahrverbote, falsche Geschwindigkeiten, neue
Strassen, etc.) darzulegen und zu belegen (...).